Als meine Oma ein Baby war Vor achtundachtzig Jahrn Da ist ihre Mutter im Wochenbett Mit Schwindsucht zum Himmel gefahrn Als meine Oma ein Baby war Ihr Vater war Maschinist Bis gleich darauf die rechte Hand Ihm abgerissen ist Das war an einem Montag früh Da riß die Hand ihm ab Er war noch froh, daß die Fabrik Den Wochenlohn ihm gab Als meine Oma ein Baby war Mit ihrem Vater allein Da fing der Vater Saufen an Und ließ das Baby schrein Dann ging er in die Küche rein Und auf den Küchenschrank Da stellte er ganz oben rauf Die kleine Küchenbank Und auf die Bank zwei Koffer noch Und auf den schiefen Turm Ganz oben rauf aufs Federbett Das kleine Unglückswurm Dann ging er mit dem letzten Geld In Meyers Freudenhaus Und spülte mit Pfefferminz-Absinth Sich das Gewissen raus Und kam zurück im Morgengraun Besoffen und beschissen Und stellte fest: »Verflucht, das Wurm Hat sich nicht totgeschmissen!« Das Kind lag friedlich da und schlief Hoch oben auf dem Turm Da packte er mit seiner Hand Das kleine Unglückswurrn Nahm es behutsam in den Arm Und weinte Rotz und Wasser Und lallte ihm ein Wiegenlied Vor Glück und Liebe fraß er Der Oma fast ein Öhrchen ab Und schwor, nie mehr zu trinken Und weil er Maschinist gewesen war Schwor er das mit der Linken Das ist ein Menschenalter her Hätt sie sich totgeschmissen Dann würde ich von alledem Wahrscheinlich gar nix wissen Die Alte lebt heut immer noch Und kommst du mal nach Westen Besuch sie mal und grüß sie schön Vom Enkel, ihrem besten Und wenn sie nach mir fragt und weint Und auf die Mauer flucht Dann sage ihr: Bevor sie stirbt Wird sie noch mal besucht Und während du von mir erzählst Schmiert sie dir, erster Klasse Ein Schmalzbrot, dazu Muckefuck In einer blauen Tasse Vielleicht hat sie auch Lust, und sie Erzählt dir paar Geschichten Und wenn die schön sind, komm zurück Die mußt du mir berichten