Am Anfang war das Wort. Und das Wort haben Schwätzer vereinnahmt. Leute, die Sachverstand nur Vorgeben. Die nur belanglos plappern. Sich über Nichtigkeiten austauschen. Leute, die sich in hohler Selbstdarstellung erschöpfen. Wen belügen wir eigentlich? Vermag Sprache, die Menschen einander näher zu bringen? Wen belügen wir eigentlich? 'Wir können doch über alles reden', pflegt sie in Konfliktgesprächen die Zerstrittenen Parteien zur Räson zu rufen. Laien komplexe Sachverhalte in Einfachen Worten vermitteln. Und Experten mit geschickter Rhetorik Verwirren. Und jetzt fragt sie sich, ob Worte wirklich Macht haben. Können Worte Verständnis bewirken? Können Worte die Einsamkeit überbrücken? Wen belügen wir eigentlich? Wenn sie mit Freunden zusammen ist, ertappt sie sich manchmal selbst dabei, Dass sie ihnen gar nicht zuhört; Dass sie nur auf ihre Lippen starrt, sich fragend, Was sie voneinander entfernt hat. Sind sie von einer Art Zentrifugalkraft Auseinander gedriftet worden, einer Zentrifugalkraft, die sich einstellt, Wenn sich Menschen zu stark um sich selbst drehen? Wen belügen wir eigentlich? Haben sie alle den unerschütterlichen Glauben an sich selbst verloren, Den Glauben daran, dass die Welt sie mit offenen Armen empfangen würde? Sie haben festgestellt, dass die Welt ihnen höchstens einen kleinen Finger reicht. Und weil es zum Glücklichsein nie reicht, spielen sie Glücklichsein. Und tauschen nichts als Flachheiten aus. Um sich selbst nicht zu verletzen? Wen belügen wir eigentlich? Wen belügen wir eigentlich? Manchmal schmerzt ihr Gesicht von dem angestrengten Lächeln, das sie auf Ihre Züge zwingt, höfliches Interesse am Gespräch vortäuschend. Manchmal trock-net ihr Mund dabei so aus, dass ihre Oberlippe an den Schneidezähnen kleben bleibt. Immer auf Sendung sein. Immer freundliches Interesse zeigen, Eine zugewandte Körperhaltung einnehmen, bestärkendes Kopfnicken, Teilnehmende Kommentare liefern – wen belügen wir eigentlich? Wen belügen wir eigentlich? Sie hat einmal geglaubt, dass Kommunikation Menschen einander näher bringt. Sie hat wirklich einmal geglaubt, dass man über alles reden kann – und das Auch dringend tun sollte. Mehr und mehr wird ihr bewusst, dass sie keine Lust mehr hat zu reden. Ist nicht längst alles gesagt? Ist nicht alles nur Wiederholung? Gerede um nichts. Worte haben keine Macht. Niemand ist offen. Alle benutzen sich nur gegenseitig. Ist nicht längst alles gesagt? Ist nicht alles nur Wiederholung? Ein Zitat von Einstein geht ihr im Kopf herum: "Wenn die Menschen nur über Das sprächen, wovon sie etwas verstehen, wäre es sehr still auf der Welt." Sie fasst einen Entschluss: Sie wird nicht mehr sprechen. Am Ende ist nur Schweigen.