Es ist wieder Sommer, meine Nachbarin Ich kenne das schon, ich schau' gar nicht mehr hin Öffnet das Fenster nach beiden Seiten Und beginnt zwei Kissen vor sich auszubreiten Eins für sich sich selbst und eins für den Hund – Dessen haarloser Wanst ist überall wund Ein krankes Tier, das mehr kriecht als es läuft Weil sein Hängebauch über den Boden schleift! Die Frau beugt sich raus, sie ist überaus fett Und schleudert ihre Titten übers Fensterbrett Am Samstag, als ich im Freibad war Sah ich auch meine Nachbarin da In ihrem Unterrock saß sie am Strand Das Gesich eingefettet, zur Sonne gewandt Die Haare wie immer strähnig und kraus – Wie ein Bündel faulendes Heu sah das aus! Sie fing gleich an, mir was zu erzählen Und bat mich ihr den Rücken zu ölen – Ich habe ihr dann den Gefallen getan Erinn're mich aber nicht gern daran! Am späten Abend ging ich mal raus Zu Paul, der hat 'ne Kneipe im Vorderhaus Da ist Sonnabends Tanz – ich geh' selten hin Höchstens um mir Zigaretten zu zieh'n! Meist sitzt da einer im Nylonhemd Ein Schifferklavier vor den Bauch geklemmt Verdient sich ein paar Mark neben seiner Rente Und beherrscht, so sagt man, zehn Instrumente! Ich setzte mich ganz kurz auf ein Bier Dann nahm ich meine Sachen, ging wieder zur Tür Grad' hatt' ich auf die Klinke gedrückt Da reißt mich ein Kerl am Arm zurück: „Im Freibad meine Frau zu betatschen, du Schwein Dafür hau' ich die sofort eine rein!" Ich bückte mich, hielt mir 'nen Stuhl vor's Gesicht – Zum Glück meinte einer: „Du, mach das nicht Mit deiner Frau haben wir dich alle schon mal Und bis jetzt war's dir immer scheißegal! Der komische Vogel soll 'ne Lage ausgeben – Komm trinken wir einen, lass ihn am Leben!" Sie schleiften mich an die Theke nach vorn' Ich bestellte schnell eine Runde Korn – Alles trank, bis plötzlich einer drauf kam Mich gesehe zu haben, mit Gitarre im Arm! Ich solle mal etwas schönes singen Ein Instrument würde man mir schon bringen! Mein Nachbar wünschte sich das Wolgalied Ich sang es und gleich gröhlten alle mit Auch hockten inzwichen gerührt und stumm Ein paar dicke Mädchen um mich herum Ein Säufer, der versucht hatte mitzulallen War schon schnarchend vom Stuhl gefallen – Meinem Nachbarn war die Wolga noch vom Krieg her bekannt Er begann zu weinen und drehte sich zu Wand – Beim Refrain, an der Stelle mit den Engelein Heulte endlich der ganze Verein! In dem Augenblick stiller Ergriffenheit Öffnete sich die Tür ganz weit Und eine sehr fette Frau erschien Ihren Hund an der Leine – meine Nachbarin! Sie hatte, kaum war war sie hereingekommen Dem Hund die Leine abgenommen – Der todkranke Köter schleppte sich dann Pfeifend und zischend zu jenem Mann Der unter den Tisch gefallen war Und leckte dessen Gesicht und Haar Der Mann erwachte, riss die Augen auf, schrie Schlug mit der Faust nach dem ekligen Vieh Dass es jaulend über die Tanzfläche flog Nach Atem ringend den Schwanz einzog! Meine Nachbarin hatte dem Gescheh'n Mit geöffnetem Munde zugeseh'n Der Hund kroch zu ihr, sie rief seinen Namen Und brach gleich darauf über ihm zusammen! Ihr lieber Ehemann meinte nun Er müsse seinerseits auch etwas tun Zerrte den Mann unterm Tisch hervor Schlug ihm sein Bierglas hinter das Ohr Und sprang ihm mit seinem vollen Gewicht Und beiden Füßen zugleich ins Gesicht! Der Ärmste setzte sich erst noch zu Wehr Schließlich rührte er sich garnicht mehr – Mein Nachbar ließ endlich von ihm ab Worauf er sich setzte und 'ne Runde ausgab Er schob mir ein Glas hin, dann wollte er gern Nochmal das Wolgalied von mir hör'n! Ich begann von vorn und nach ein paar Tönen Kamen ihm schon wieder die Tränen Auch seine Frau, mitsamt ihrem Tier Sank auf einen Stuhl und lauschte mir Von einer vesöhnlichen Stimmung gepackt Saß mein Nachbar bis zu letzten Takt Beugte sich dann runter zu dem hilflosen Mann Und bot ihm auch was zu trinken an – Der verstand kein Wort, lag da ganz krumm Und kaute auf geronnenem Blut herum Mein Nachbar ging daran ihm, noch halb im Liegen Die Kiefer auseinanderzubiegen Und kippte, um alles wieder gutzumachen Dem Ärmsten ein volles Glas Bier in den Rachen! Der nahm von alldem gar nichts mehr wahr Weil er schon vorher besinnungslos war Und erstickte, ohne sich sehr zu quälen – Bliebe zu Schluss noch zu erzählen Dass mein Nachbar mir gleich einen Vorschlag machte Als ich grad' an nichts Böses dachte – Das mit der Leiche sei wohl weniger schön Doch müsse das Leben ja weitergeh'n: Ob ich Lust hätte, seiner Frau das Singen Und Gitarre spielen, beizubringen . . .